Wir übernehmen ausgediente Legehennen aus Massentierhaltungen (und auch einzelne Gockel) via Tierschutzorganisationen, die spezielle Rettungsaktionen ins Leben gerufen haben. Wir versuchen, den Hühnern noch ein tiergerechtes Leben zu ermöglichen, mit grossen, strukturierten Gehegen an unseren beiden Standorten. Ein Leben mit freiem Auslauf ist bei uns nur bedingt möglich, denn es lauert Gefahr, sei es durch Füchse oder Raubvögel.
Die Hühner, die wir übernehmen, kommen teilweise sehr ausgezehrt hierher, legen aber trotzdem Ei um Ei, denn nur dafür sind gezüchtet. Es ist phänomenal zu sehen, wie ansonsten ihr angeborenes, natürliches Verhalten sofort wieder zum Vorschein kommt, sie sich im Sandbad säubern oder ruhen, auf der Wiese oder Weide fleissig nach Würmern, Insekten, Kräutern suchen, zufrieden vor sich hin gurrend, oder nach dem Eierlegen laut gackernd. Beindruckend, wie die Gockel ihre Hühnerschar beschützen.
Hühner sind ausgesprochenen Persönlichkeiten. Sie sind intelligent, erkennen bis zu hundert Artgenossen. Sie verfügen über eine ganze Palette an differenzierten Ausdrucksweisen, an Gefühlen, an Kommunikationswegen, vor allem mit einer Vielzahl an verschiedenen Lauten. Sie leben in einem komplexen Sozialgefüge mit einer ausgeprägten Rang- und Hackordnung, wo jedes Tier seinen Platz hat.
Der Verbrauch an Hühnern nimmt in der Schweiz stetig zu, im Jahr 2022 verzeichnete man 13,12 Millionen. Als Nutztiere verbringen sie ihr Leben in stressigen, unnatürlichen Massen-Intensivhaltungen zur Produktion von Pouletfleisch oder von Eiern. Ein Leben inmitten Tausender anderer Hühner, die einander hacken, bei Panik zerdrücken. Von natürlichem Sozialgefüge und normalen Verhalten keine Rede mehr! Das zuständige Bundesamt schreibt: «Federpicken und Kannibalismus sind Verhaltensstörungen. Wenn keine anderen Massnahmen dagegen helfen, kann man durch Touchieren des Schnabels dessen "Schärfe" mildern. Auch Sporen und Zehen von Zuchthähnen dürfen zum Schutz der Hennen gekürzt werden, wenn dies nötig ist.» (Zur Erklärung: Mit "Touchieren" ist das Kürzen des Schnabels gemeint). Dass ein Teil der Tiere solche Haltungsbedingungen nicht überlebt, nimmt man offenbar in Kauf. So meint der Berner Kantonstierarzt lakonisch:" "Überall, wo Nutztiere gehalten werden, passiert es, dass Tiere vor der Schlachtung verenden“. ( Zeitung "Der Bund" vom 2.2.2022). (Siehe auch Dokumentationen von tierimfokus.ch).
Früher nutzte man das ganze Huhn. Dann wurde die Hühner-Züchtung einem einzigen Ziel untergeordnet: Die Hühner sollten Höchstleistungen vollbringen, als Fleischlieferanten oder als Eierlieferanten - beides zusammen kriegt ein Hochleistungshuhn nicht hin. Damit wir Menschen einen maximalen Gewinn erzielen mit diesen Hühnern, braucht es möglichst tiefe "Produktionskosten", will heissen: das Leben dieser Tiere sollen möglichst wenig kosten. Resultat: Haltung der Tiere in automatisierten Anlagen, kurzes Leben. Poulets (Fleischproduktion) werden meist nach 40 Tagen geschlachtet, Legehybridhühner (Eierproduktion) schaffen es anderthalb Jahre, dann nimmt die Höchstleistung ab und sie werden entsorgt. Ein Huhn könnte eigentlich zehn Jahre alt werden.
Ein weiteres Problem gibt es bekanntlich im Bereich der für die Eierproduktion gezüchteten Hühnerart, weil die männlichen Tiere, die schlüpfen, zum Eierlegen logischerweise nicht taugen. Deshalb werden sie zu Millionen gleich nach der Geburt getötet - bis vor einigen Jahren geschreddert, jetzt vergast. In verschiedenen europäischen Ländern ist das Kükentöten verboten. Der Schweizer Tierschutz STS plädierte schon vor Jahrzehnten für eine Umkehr zu gesunden sog. Zweinutzungsrassen, wo jedes Huhn sowohl für sein Fleisch wie auch fürs Eierlegen genutzt und aufgezogen werden kann. Nun scheint endlich auch in der Schweiz ein Umdenken in Gang zu kommen: die Biobranche will das Zweinutzungshuhn und den Bruderhahn fördern, die konventionelle Eierbranche das Schlüpfen von männlichen Küken durch Methoden der pränatalen Geschlechterbestimmung verhindern, und auf Ebene der Tierschutzvorschriften sind ebenfalls Änderungen vorgesehen. Endlich!